Schulsozialarbeit: „Der Bedarf für Zeit und Gespräche abseits des Unterrichts ist an allen Schulen absolut da"
Einander zuhören, Probleme benennen ohne zu urteilen, Empathie entwickeln und zeigen – das sind Themen, die die Schulsozialarbeit mit Schülerinnen und Schülern anpackt. Diese wichtige Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen abseits des Unterrichts hat in Geesthacht seit Jahren einen hohen Stellenwert. Die Stadtpolitik gibt für diese Aufgabe, die keine Pflichtaufgabe der Kommunen ist, Geld im Bereich der freiwilligen Leistungen aus – und baut das Angebot seit Jahren aus. Das jüngste Beispiel: Im Haushalt 2025 wurden 3,5 zusätzliche Stellen in der Schulsozialarbeit beschlossen. Sie werden die derzeit sechs Mitarbeitenden künftig unterstützen. Eine von ihnen ist Inga Quidde. Seit Oktober 2024 ist die 44-Jährige an der Bertha-von-Suttner-Schule (BvS) tätig. Ein gewaltsamer Vorfall an dieser Geesthachter Gemeinschaftsschule ist ein Grund, warum der Ruf nach der personellen Aufstockung der Schulsozialarbeit 2024 in Geesthacht besonders laut wurde. Im vergangenen Mai hatte ein Schüler einen anderen nahe der Schule mit einem Messer verletzt. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze sowie die Stadtpolitik hatten daraufhin dem Thema „Gewaltprävention an Schulen“ oberste Priorität eingeräumt, aber auch betont: Konflikte an Schulen sind kein speziell Geesthachter Problem und auch kein Problem, mit dem die BvS allein dasteht. Die Gründe für diese Konflikte müssten analysiert und gesamtgesellschaftlich angegangen werden – und: Das geht nur mit genügend und entsprechend ausgebildetem Personal.
„Der Bedarf für Zeit und Gespräche abseits des Unterrichts ist an allen Schulen absolut da“, sagt Inga Quidde. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Christian Heidelberg ist sie Ansprechperson für die rund 760 Schülerinnen und Schüler der BvS. „Speziell für die BvS ist es gut, denke ich, dass es jetzt auch eine weibliche Schulsozialarbeiterin an der Schule gibt. Es gibt einfach Themen, die Mädchen lieber mit einer Frau als mit einem Mann besprechen“, meint Inga Quidde, die bewusst nach einer Ausbildung zur Erzieherin ein Studium herangehängt hat, um als Schulsozialarbeiterin älteren Kindern und Jugendlichen zur Seite stehen zu können. „Der Beruf bringt sehr viele Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel schulen wir die Kinder im Bereich Empathie. Viele Kinder wissen nicht mehr, wie sie mit Konflikten umgehen können und dass es dazu gehört, um eine Situation gut einschätzen zu können, sich in andere hineinzuversetzen“, beschreibt Inga Quidde. „Wir üben mit den Kindern zum Beispiel, Ich-Botschaften zu formulieren: Was hat mich verletzt? Wie spreche ich Probleme an, ohne die Schuld dafür anderen zuzuweisen?“
Die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter begleiten die Schülerinnen und Schüler bei Klassenkonferenzen und tauschen sich regelmäßig mit der Lehrerschaft über aktuelle Themen aus. Zudem können Schülerinnen und Schüler sich mit persönlichen Problemen an das Team der Schulsozialarbeit wenden – die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. „Ein Thema, mit dem die Kinder und Jugendlichen immer wieder zu uns kommen, ist Mobbing. Wie sie sich in solchen Fällen verhalten oder wie Mobbing-Situationen möglichst verhindert werden können, ist auch Thema von Trainings, die wir für die Schülerinnen und Schüler organisieren“, erzählt Inga Quidde.
Durchgeführt wurden an der BvS 2024 unter anderem für die fünften Klassen JUZ (Jugendzentrum alter Bahnhof)-Tage mit Sozialkompetenztrainer Ercan Kök. Dabei handelt es sich um „Kennenlern-Tage“ im Jugendzentrum. „Mit Herrn Kök arbeitet das Team der Schulsozialarbeit schon seit über 8 Jahren zusammen. Die Arbeit hat sich als äußerst erfolgreich gezeigt, so dass er jetzt auch an anderen Schulen in Geesthacht aktiv ist“, sagt Schulsozialarbeiter Christian Heidelberg. Zudem bietet die Alkohol- und Drogenberatung in den fünften Klassen einen Handyführerschein an.
Auch die Klassenstufen 6 und 7 profitierten 2024 Sozial- und Toleranztrainings mit Ercan Kök. Diese sind als Aufbautraining zu den JUZ-Tagen der fünften Klassen zu sehen.
In Kooperation mit der Alkohol- und Drogenberatung werden in den siebten Klassen Angebote zur Suchtprävention gemacht. Hier stehen Energiedrinks und Medienkonsum im Mittelpunkt. „Aber auch die Themen Alkohol und Drogen werden besprochen“, informiert Christian Heidelberg.
In der achten Klasse läuft an der BvS das Projekt „Gefangene helfen Jugendlichen“. Dabei erzählen ehemalige Gefangene den Schülerinnen und Schülern authentisch aus ihrem Leben im Gefängnis und wie sie dort hingekommen sind. „Für viele Jugendliche ein Weckruf, falls sie auf den falschen Weg geraten sind“, sagt Christian Heidelberg.
Für das Jahr 2025 ist über diese Angebote hinaus eine einmalige Ausstellung an der BvS zum Thema „sexuelle Gewalt“ geplant. Christian Heidelberg: „Diese Angebote, die wir gemeinsam mit Externen umsetzen, sind als Ergänzung zu unserer täglichen Arbeit zu sehen.“
Zur weiteren Einordnung: Als Vorreiter für den Kreis Herzogtum Lauenburg hat sich die Stadt Geesthacht bereits 2007 für das Modellprojekt „Schulsozialarbeit an den Geesthachter Schulen“ entschieden, um den Schulen in kommunaler Trägerschaft ein sozialpädagogisches Unterstützungsinstrument zur Seite zu stellen. Damals startete die Stadt Geesthacht mit zwei Schulsozialpädagogen.
Bestätigung hat diese Vorreiterrolle unter anderem im Bericht des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2009 und dem derzeitigen Ausbau von Stellen durch die sogenannten Bildungs- und Teilhabegelder von Bund und Land im Bereich Schulsozialarbeit in Schleswig-Holstein erfahren. Im Rahmen dessen bekräftigte die Stadt Geesthacht Ende 2011 ihren bildungspolitischen Weg mit der Schaffung zweier zusätzlicher, befristeter Vollzeitstellen für die Geesthachter Schulsozialarbeit, welche seit Frühjahr 2012 das Team der Schulsozialarbeit ergänzen und verstärken. Inzwischen besteht das Team der Schulsozialarbeit aus sechs Mitarbeitenden. 11 Stellen sind derzeit unbesetzt. Für 2025 hat die Politik die Einrichtung zusätzlicher Stellen beschlossen.